Berlinale – Die richtige Wahl

by | 10. Feb 2008 | Texte | Kein Kommentar

Ich werde oft gefragt, wie ich unter den viel zu vielen Filmen, die jährlich zur Berlinale antreten, diejenigen auswähle, die es sich wirklich anzusehen lohnt.

Die Wahrheit ist schwer, denn man weiss nie. Man sieht einem Film mit Starbesetzung nämlich nicht an, ob er etwas taugt, genausowenig wie einem unabhängigen Koreanischen Dokumentarfilm.

Daher ist meine Methode recht einfach: „avoiding“! Richtig, ich vermeide.

Ich vermeide 1. die großen Filme, die wenige Wochen nach Ende der Berlinale ohnehin ins Kino kommen, ich vermeide 2. deutsche Filme, 3. Filme aus der Türkei, dem Iran oder sonstigen Ländern, in denen man dafür hingerichtet wird, wenn man seine Meinung sagt und ich vermeide 4. Filme VON Frauen FÜR Frauen.

Ich fürchte, das muss ich erklären. OK!

  1. Wieso sollte ich die kostbare Zeit auf der Berlinale damit verschwenden einen Film zu sehen, den ich den Rest des Jahres auch shen kann?
  2. Wenn deutsche Filme auf der Berlinale laufen sind die meisstens total schlecht – OK die sind sonst auch schlecht – und meisstens sitzen danach die hilflosen Regisseure vor ratlosem Publikum und beklagen beschämt, man habe ja viel zu wenig Geld bekommen für das tolle Thema und überhaupt hätte man ja eh viel lieber einen tiefsinnigen, melancholischen Problemfilm drehen wollen, das ging aber natürlich nicht, denn als man grade gedreht hat, war das gesamte Land in dieser ekelhaften Fussball-Weltmeisterschafts-Euphorie und alle hatten ekelig gute Laune und deswegen ist der Film also so oberflächlich und so gar nicht politisch, kritisch, düster ausgefallen.
  3. Wenn ein Filmemacher aus einem Land in dem einem die Hand, die Zunge oder sonstige Weichteile dafür abgehackt werden, wenn man die Wahrheit sagt, einen Film macht, dann kann der in dem Film nicht das zum Ausdruck bringen, was ihn bewegt oder beunruhigt, sonst würde ihm ja am Ende eine Hand oder die Zunge oder wer weiß was sonst noch abgehackt, also macht er einen oberflächlichen und langweiligen Film, in dem nix passiert ausser ein paar abstrusen Andeutungen, die wieder keiner versteht. Hinterher wird der Filmemacher natürlich vom Publikum gefragt, was denn der Film bedeutet, ob es noch einen tieferen Konflikt gibt. Da der Filmemacher befürchten muss, selbst auf der Berlinale von der heimischen Zensur belauscht zu werden, beteuert er dann „Neeeeein…“ das sei alles so gemeint, wie es zu sehen war und es gäbe gar keinen tieferen Sinn, geschweige denn eine Symbolik. Ein Jahr später erfährt man dann in einer ttt-Sondersendung zum Anlass der Hinrichtung eben jenes Regisseurs, dass der Film sehr wohl eine „zweite Ebene“ einen tieferen Sinn und eine eigene Symbolik hatte, der Regisseur konnte das damals nur nicht sagen, weil er dann schon viel früher hingerichtet worden wäre.
  4. Filme von Frauen für Frauen versteh ich einfach nicht. Ich glaub mir fehlt da ein Enzym.

Und wo bleibt da das positive? – Ja… wo?

Empfehlen kann ich hingegen Filme aus Ländern in denen üblicherweise KEINE Filme gemacht werden wie Laos, Bulgarien, Malta, Ägypten, Israel oder der Schweiz. Während jährlich hunderte von deutschen Filmen nicht nur „zu wenig Geld“ sondern auch zu wenig gute Bücher, geschweige denn genügend Talent unter sich aufteilen müssen, können Filmemacher aus Ländern in denen nur ein Film pro Jahr produziert wird, das gesamte Geld aber auch den gesamten Charme oder eben das gesamte Drama der Geschichte in EINEM Film konzentrieren. So entstehen so wunderbar direkte Geschichten wie „Tropa De Elite“ aus Brasilien, meinem heimlichen Favoriten der Berlinale 2008.

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