Langweiler Maik und Außenseiter Tschick fliehen vor den Wirrungen der beginnenden Pubertät und cruisen im geklauten Lada durch die wilde ostdeutsche Provinz. Die modernen Lausbubengeschichten, die sie dort erleben, sind banal, rührend, komisch, mutig, kindisch und gefährlich zugleich und sie zaubern uns zurück in diese Zeit, in diesen Sommer als wir 14 waren.
Seit Wilhelm Meister hat wahrscheinlich jede Generation ihre eigene, alles entscheidende und alles überragende Schlüssel-Geschichte. Und alle handeln sie davon, wie Jungs sich aufmachen, um Männer zu werden. Und so wie Goethe, Twain, Fontane, Hesse oder Salinger vor ihm, spendiert auch Wolfgang Herrndorf seinen Jungs eine großartige Reise durch einen unvergesslichen Sommer.
Maik ist verliebt. In Tatjana. Vielleicht weiß er es noch nicht, aber er wird es schon bald schmerzlich erfahren. Spätestens wenn er nicht, wie erhofft, zu ihrer Geburtstagsparty eingeladen wird, wird er schmerzlich erfahren, wie verdammt weh das tut. Wie verdammt doof das ist, ein Loser, ein Langweiler, ein Psycho zu sein. Mittelstand und Mittelmaß.
Und seine Eltern? Auf die kann man auch nicht zählen. Die haben ihre eigenen Probleme. Die Mutter säuft und wenn sie nicht gerade die Wohnungseinrichtung im Pool versenkt, sitzt sie heulend auf dem Sofa oder macht eine Entziehungskur. Der Vater ist auch nicht besser. Den Kampf gegen die Umweltschützer, die sein Bauprojekt verhindern wollen, hat er längst aufgegeben – aufgeben müssen, denn er ist pleite. Wahrscheinlich sind bald auch das Haus und der Pool und der ganze andere Kram weg. Aber was soll’s? Wenigstens sind Sommerferien, die Eltern machen ihrs und alle lassen Maik in Ruhe. Alle? Nicht ganz…
Tschick, der Neue, der Russe, der, mit dem keiner so richtig was anfangen kann, der auch gerne mal betrunken zur Schule kommt und trotzdem Zweien in Mathe schreibt, naja, der hat einen Narren an Maik gefressen. Gleich am ersten Ferientag kreuzt Tschick, der eigentlich Andrej heißt und genau wie Maik keine Freunde hat, mit einem geklauten blauen Lada vor Maiks Haus auf, entreißt ihn der Ereignislosigkeit seiner behüteten, wohlstandsverwahrlosten Existenz und nimmt ihn mit auf eine wahre Odyssee. Was als naiver Versuch beginnt, Andrejs Onkel in der Walachei zu besuchen, wird zum skurrilen Road-Trip durch ein wildes, unbekanntes und durchaus überraschendes Ost-Deutschland, in dem die Uhren und Menschen noch anders ticken und wo man keinen De Lorean braucht, um rückwärts in der Zeit zu reisen.
Auch wenn Andrej und Maik am Ende dieses Sommers vielleicht noch keine richtigen Männer sind, richtige Freunde sind sie allemal und wenn man ihnen etwas wünschen darf, dann dass sie sich am 17. Juli 2060 auf dem hohen Berg wiedertreffen.
Wolfgang Herrndorf hat mit Tschick einen der entzückendsten Adoleszenz-Romane unserer Zeit geschaffen, über den man generationenübergreifend schmunzeln, schaudern und nachdenken kann. In seiner klaren Sprache, die sich gerne im aktuellen Jugend-Jargon bedient, ohne sich diesem anzubiedern, erzählt der Roman eine immer mitreißende, kurzweilige, oft komische aber manchmal auch zutiefst rührende Story Of Initiation deren schrullig-sensible Helden genauso gut den Geschichten von Mark Twain oder Erich Kästner entstammen könnten.
Kauft dieses wunderbare Buch und lest es und schenkt es den 13-, 14-, 15-jährigen dieser Welt, damit sie spüren, wie erfrischend echte Abendteuer sind und wie einmalig und wunderbar sich Freundschaft, ich meine echte Freundschaft, ihr wisst schon, die jenseits von Facebook, so anfühlt!
In diesem Sinne: weiterlesen!