Die Welt zu Gast bei Juergen

Mach' ein Bild von der Welt, eh' sie vergeht!

Deutschland. Ein Alptraum

Würde Leni Riefenstahl noch leben, sie wäre bestimmt mächtig stolz auf Sönke Wortmann.

Ein Volk von Fans, ein Reich von Helden, ein Führer von Kalifornien und am Ende der Triumph des Willens. Naja, fast…

Jedesmal wenn Sönke Wortmann – woher auch immer – Geld für sein nächstes künstlerisches Desaster bekommt, beschleicht einen so eine Vorahnung. “Das wird bestimmt wieder genau wie letztes Mal, ” denkt man “denn schlimmer kann es ja nicht kommen.” – bis man den Film sieht, dann weiß man… es kann.

Schon mit dem Werk “Das Wunder von Bern” beweist Wortmann, was wir alle schon lange befürchtet haben: er ist ein Fanatiker und über seinem Fanatismus vergisst er nicht nur seinen Beruf, er vergisst alles.

So wie schon Leni Riefenstahls Herrenmenschenfilme nicht ein – ohnehin als unmündig angesehenes – Publikum im Visier hatten, so zielen auch die letzten beiden Werke Wortmanns einzig und allein auf die Aufmerksamkeit und die Anerkennung des Führers. Es wird sogar berichtet, Gerhard Schröder habe bei der Premiere des Filmes “Das Wunder von Bern” geweint.

Für die Dreharbeiten zu seinem neusten Endsieg-Epos, welches gestern – am Tag der Deutschen Einheit – Premiere hatte und nun wohl den Titel “Deutschland. Ein Sommermärchen” trägt, hat ihm der größte Trainer aller Zeiten erlaubt, im Führerbunker ganz nah dabei zu sein.

Indiskretion bis zur Geschmacklosigkeit, Handkamera bis zum Erbrechen und jede Menge Blitzkriegrhetorik, naja, ganz ehrlich, was hatten Sie erwartet?

Daß der Film nun trotz fehlenden Endsieges in die Kinos kommt beweist, daß Sönke Wortmann von Dramaturgie noch weniger versteht als von Fußball. Speichellecker aller Genres, vereinigt Euch!

Was wohl Oscar Wilde dazu sagen würde? Vielleicht: “Ehrgeiz ist die letzte Zuflucht der Versager.”

Der ewige Biller

Nun ist es also wieder soweit.

Eigentlich wollte ich NIE einen Text mit den Worten “Nun ist es also wieder soweit.” beginnen und wenn ich ehrlich bin, hatte ich auch gehofft, nie wieder einen Text lesen zu müssen, der mit den Worten “Nun ist es also wieder soweit.” beginnt, aber…

Nun ist es also wieder so weit.

Maxim Biller macht Negativschlagzeilen.

Worum geht es hier? Ich fasse mal zusammen: Billers Roman “Esra”, 2003 bei KiWi in Köln erschienen, soll nun endgültig verboten bleiben. Doch damit nicht genug, am liebsten will man Biller selbst verbieten.

“Es droht eine Schmerzensgeldklage in zweistelliger Millionenhöhe.” – Das würde Biller vernichten. Und wofür?

Nein, nicht etwa für eine seiner zahlreichen Kolumnen im Stile von “Hundert Zeilen Hass” mit denen nicht nur ich sondern eine ganze Generation junger deutscher Intellektueller aufgewachsen ist, nicht wegen einer seiner üblichen Äußerungen gegen einen aus der alten braunen Garde, aus dem mit zunehmendem Alter immer mehr von der braune Scheisse heraustropft oder -quillt, die ihm als Kind eingeprügelt wurde und den man, als es Zeit gewesen wäre, übersehen hat, um ihn später zum FDP-Vorsitzenden, Arbeitgeber- oder Bundespräsidenten zu machen, nein. Wegen eines kleinen, ruhigen und sehr schön zu lesenden Liebesromans.

“Esra” erzählt die weniger rührende als anrührende Geschichte des Juden Adam, der in aller Ruhe und mit allem was dazu gehört versucht, die Türkin Esra zu lieben. Doch wie so oft in Billers Geschichten gelingt es dem Juden nicht, denn alle sind gegen ihn.

In dieser Geschichte, die sich ähnlich wunderbar liest wie “Den Teufel im Leib” von Raymond Radiguet oder die frühen Erzählungen von Schnitzler – vielmehr in ihren Hauptfiguren – wollen sich nun also zwei Frauen wiedererkennen, deren Humorlosigkeit offensichtlich nur noch von ihrer Gier und der kriminellen Energie ihrer Anwälte übertroffen wird.

Nun gut. Der Roman soll nicht mehr verkauft werden, nach letztem Stand soll nun auch die “korrigierte” Fassung aus den Geschäften verschwinden, mir egal, ich hab mein Exemplar und Lesen ist hoffentlich noch nicht strafbar.

Aber nun soll auch Biller bluten. Und peinlicher noch als die Tatsache, daß sich dafür in Deutschland ein Gericht findet, ist die heimliche Freude, die sich – auch unter Intellektuellen – in diese Diskussion mischt. Man mahnt den Dichter zur Vorsicht. Man rät ihm abzuwägen, wen er “beleidigt” und wie. Ich bin mir nicht sicher, wieviele dieser Claqueure die Originalfassung des Romans tatsächlich gelesen haben – so viele Exemplare sind wohl nicht im Umlauf – aber ich habe den Eindruck, auch hier geht es um etwas Anderes.

Es geht um Biller. Den ewigen Nörgler, der sich nicht gemein macht mit Eurem liberalen Altachtundsechtzigergewinsel und der Euch nicht entläßt aus der Schuld. Und ich meine nicht die Schuld von damals, ich meine die Schuld von heute. Es geht um den Biller, der leise, still und geduldig all die Fragen stellt, die Ihr Euch nicht getraut zu stellen und der darauf auch noch eine Antwort bekommt, und ob es Euch gefällt oder nicht, es geht um den Biller, der sprachlich brillanter ist als Ihr alle zusammen. Ihr wollt ihn hängen sehen.

Jetzt steht er am Galgen, ihm werden die Hände am Rücken zusammen gebunden und bald, bald baumelt er nur noch und kann euch nichts mehr tun. Daran geilt Ihr Euch auf.

Schämt Euch!