Es möchte echt sein

by | 6. Okt 2014 | Filmkritik, Kulturpessimismus, Kunst | Kein Kommentar

Endlich gesehen: Beltracchi – Die Kunst der Fälschung

Das charmanteste an diesem großartigen Film – soviel schonmal als kleiner Spoiler vorweg – ist, dass er sich die ermüdende Diskussion über Gut und Böse geschickt verkneift und dafür die viel wichtigere Frage nach dem Echten, Wahren und Wirklichen in der Kunst und im Leben stellt.

Kurz zum Inhalt: Der deutsche Grafiker und Kunstfälscher Wolfgang Beltracchi hat in den 40 Jahren vor seiner Verhaftung (2010) ca. 300 Kunstwerke – Öl-Bilder und Grafiken – bedeutender internationaler Künstler nachgemalt und als Originale verkauft – zum Teil bei Auktionen, an Sammler, Museen und Galerien. Er wurde im Oktober 2011 wegen gewerbsmäßigen Betruges zu sechs Jahren Haft verurteilt. Der Dokumentarfilm Beltracchi – Die Kunst der Fälschung begleitet den Fälscher und seine mitangeklagte (und ebenfalls verurteilte) Frau vom Abschied von den Freunden in Frankreich über die Auflösung des Ateliers in Köln bis in den Knast und zwischendurch wieder zurück, in die neue, ein bisschen kleinere Freiheit des offenen Vollzuges. Und er erzählt nicht nur die Geschichte der Beiden, vielmehr erzählt er die Geschichte eines Kunstmarktes, der wegen seiner Gier nach Neuem, nach ungesehenen Bildern und sensationellen Funden geradezu danach schreit, von einem genialen Betrüger hinters Licht geführt zu werden. Neben dem Fälscher selbst kommen Galeristen, Sammler, Kunsthändler, Experten und der ermittelnde Kriminalkommissar zu Wort und jede einzelne der Nebenfiguren scheint den Protagonisten auf ihre ganz eigene Art zu bewundern. Wolfgang Beltracchi hat es geschafft, über mehrere Jahrzehnte hinweg ein gut strukturiertes und eingespieltes System aus Experten, Händlern, Sammlern, Museen und Galerien mit einem einfachen Trick zu täuschen: Er gab ihnen, wonach sie sich sehnten. Unbekannte oder verschollene Werke moderner Klassiker ebenso wie Skizzen, Etüden und Fingerübungen alter Meister, nicht nur geschickt gefälscht sondern auch mit viel Liebe zu den kopierten Künstlern, ihrer Arbeit und ihrer Art, Kunst zu erschaffen und selten war in einem Dokumentarfilm ein Protagonist – zumal ein verurteilter Verbrecher – so angenehm sympathisch wie Wolfgang Beltracchi, vielleicht gerade deswegen. Vielleicht auch weil er immer glaubhaft eher spitzbübischer Schelm ist als ausgebuffter Gangster.

Dem Regisseur Arne Birkenstock ist mit Beltracchi – Die Kunst der Fälschung ein unaufgeregter, unterhaltsamer und aufschlussreicher Dokumentarfilm zum Thema Gier und Verlogenheit im Kunstbetrieb gelungen, der ohne die groteske Aufgeblasenheit von Schtonk! auskommt und im Zuschauer etwas hervorruft, was wir als Thomas-Crown-Effekt sonst nur aus Heist-Movies kennen. Für alle, die das noch nie gehört haben: Das ist wenn der Zuschauer sich mit dem Dieb solidarisiert.

Und die Moral? Auf Täuschung folgt Enttäuschung, das kennen wir aus der Liebe. Doch wie in der Liebe gehört auch auf dem Kunstmarkt zu jedem Betrug nicht nur ein Betrüger, sondern auch einer, der sich willfährig betrügen lässt, jemand der sich etwas so sehr wünscht, dass er über diesen Wunsch seinen Instinkt, seine Erfahrung und sein Urteilsvermögen einbüßt. Und genau das zeigt uns Beltracchi – der Künstler und der Film – in charmanter und beeindruckender Weise. Es gibt keinen deutlicheren Hinweis darauf, wie großartig und wichtig dieser Film ist, als die Tatsache, dass er dem Spiegel mächtig auf den Sack zu gehen scheint. Denn der blinde Fleck, durch den Wolfgang Beltracchi den getäuschten Experten, Kuratoren und Kunsthistorikern immer wieder neunen Stoff für ihre hochkulturelle Selbstbeweihräucherung in ihre Elfenbeintürme nachreichte, rührt von der gleichen arroganten Haltung zur Kultur, die auch der Spiegel gerne vor sich her trägt.

Verraten hat Beltracchi am Ende übrigens ein falsches Pigment, ein Weiß, dass er aus Bequemlichkeit und Übermut nichtmehr selbst angerührt sondern aus der Tube genommen hatte. So einfach können Pointen sein.

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