Der ewige Biller
Nun ist es also wieder soweit.
Eigentlich wollte ich NIE einen Text mit den Worten „Nun ist es also wieder soweit.“ beginnen und wenn ich ehrlich bin, hatte ich auch gehofft, nie wieder einen Text lesen zu müssen, der mit den Worten „Nun ist es also wieder soweit.“ beginnt, aber…
Nun ist es also wieder so weit.
Maxim Biller macht Negativschlagzeilen.
Worum geht es hier? Ich fasse mal zusammen: Billers Roman „Esra“, 2003 bei KiWi in Köln erschienen, soll nun endgültig verboten bleiben. Doch damit nicht genug, am liebsten will man Biller selbst verbieten.
„Es droht eine Schmerzensgeldklage in zweistelliger Millionenhöhe.“ – Das würde Biller vernichten. Und wofür?
Nein, nicht etwa für eine seiner zahlreichen Kolumnen im Stile von „Hundert Zeilen Hass“ mit denen nicht nur ich sondern eine ganze Generation junger deutscher Intellektueller aufgewachsen ist, nicht wegen einer seiner üblichen Äußerungen gegen einen aus der alten braunen Garde, aus dem mit zunehmendem Alter immer mehr von der braune Scheisse heraustropft oder -quillt, die ihm als Kind eingeprügelt wurde und den man, als es Zeit gewesen wäre, übersehen hat, um ihn später zum FDP-Vorsitzenden, Arbeitgeber- oder Bundespräsidenten zu machen, nein. Wegen eines kleinen, ruhigen und sehr schön zu lesenden Liebesromans.
„Esra“ erzählt die weniger rührende als anrührende Geschichte des Juden Adam, der in aller Ruhe und mit allem was dazu gehört versucht, die Türkin Esra zu lieben. Doch wie so oft in Billers Geschichten gelingt es dem Juden nicht, denn alle sind gegen ihn.
In dieser Geschichte, die sich ähnlich wunderbar liest wie „Den Teufel im Leib“ von Raymond Radiguet oder die frühen Erzählungen von Schnitzler – vielmehr in ihren Hauptfiguren – wollen sich nun also zwei Frauen wiedererkennen, deren Humorlosigkeit offensichtlich nur noch von ihrer Gier und der kriminellen Energie ihrer Anwälte übertroffen wird.
Nun gut. Der Roman soll nicht mehr verkauft werden, nach letztem Stand soll nun auch die „korrigierte“ Fassung aus den Geschäften verschwinden, mir egal, ich hab mein Exemplar und Lesen ist hoffentlich noch nicht strafbar.
Aber nun soll auch Biller bluten. Und peinlicher noch als die Tatsache, daß sich dafür in Deutschland ein Gericht findet, ist die heimliche Freude, die sich – auch unter Intellektuellen – in diese Diskussion mischt. Man mahnt den Dichter zur Vorsicht. Man rät ihm abzuwägen, wen er „beleidigt“ und wie. Ich bin mir nicht sicher, wieviele dieser Claqueure die Originalfassung des Romans tatsächlich gelesen haben – so viele Exemplare sind wohl nicht im Umlauf – aber ich habe den Eindruck, auch hier geht es um etwas Anderes.
Es geht um Biller. Den ewigen Nörgler, der sich nicht gemein macht mit Eurem liberalen Altachtundsechtzigergewinsel und der Euch nicht entläßt aus der Schuld. Und ich meine nicht die Schuld von damals, ich meine die Schuld von heute. Es geht um den Biller, der leise, still und geduldig all die Fragen stellt, die Ihr Euch nicht getraut zu stellen und der darauf auch noch eine Antwort bekommt, und ob es Euch gefällt oder nicht, es geht um den Biller, der sprachlich brillanter ist als Ihr alle zusammen. Ihr wollt ihn hängen sehen.
Jetzt steht er am Galgen, ihm werden die Hände am Rücken zusammen gebunden und bald, bald baumelt er nur noch und kann euch nichts mehr tun. Daran geilt Ihr Euch auf.
Schämt Euch!